Warum Kommunen und Start-ups enger zusammenarbeiten müssen

Gesa Ziemer berichtet aus dem City Science Lab in Hamburg.

Der folgende Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung vom Tagesspiegel Background und wurde dort 09.07.2025 veröffentlicht.

 

 
Gute Ideen schaffen es nur selten aus der Forschung in die Gründung. Dabei können gute Softwarelösungen nur so skaliert werden – aus eigener Kraft schaffen Städte und Regionen das nicht, schreibt Gesa Ziemer. Deswegen müssen Kommunen stärker mit Start-ups kooperieren, fordert die Leiterin des City Science Lab.
 
 

Vergangene Woche war das City Science Lab an der Hafen City Universität Hamburg Gastgeber für eine Auftaktveranstaltung des neuen Smart-City-Wissenschaftsnetzwerkes „Vernetzen.Forschen.Transferieren“ in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, der Transferstelle Modellprojekte Smart Cities (MPSC) und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung.

Es kamen circa 80 Vertreter_innen aus Wissenschaft, Kommunen und Ministerien zusammen, um über die Rolle der Forschung für die MPSC-Projekte, aber auch über Transfermechanismen und die Skalierung von Smart City Anwendungen zu diskutieren. Im Stufenplan „Smarte Städte und Regionen“, der vergangenes Jahr verabschiedet wurde, ist die Rolle der Wissenschaft klar definiert.

Bisher keine Aussicht auf Finanzierung

Diese soll nicht nur Begleitforschung durchführen, sondern auch als anwendungs- und praxisorientierter Ratgeber fungieren, da sie in vielen Fällen im Rahmen des MPSC-Programmes maßgeblich an der Entstehung von Softwarelösungen in den Kommunen beteiligt war. Bei der Veröffentlichung des Stufenplans wurde gefordert, dass sich die Kompetenzen der Transferstelle über die Gründung eines solchen Wissenschaftsnetzwerkes erweitern sollten.

Das Netzwerk verknüpft nicht nur die Wissenschaft untereinander, sondern diese auch längerfristig mit den Kommunen, denn nur so kann der Transfer in die Praxis gelingen. Der Auftakt mit fundierten Inputs, interessanten Teilnehmenden und regen Diskussionsrunden ist in Hamburg dank guter Kuration und Organisation gelungen und wir freuen uns schon jetzt auf das nächste Treffen. Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn dieses Netzwerk mit der Aussicht auf eine Finanzierung hinterlegt gewesen wäre, was es bis jetzt leider nicht ist.

Wie geht es weiter, wenn die Förderung ausläuft?

Uns im City Science Lab interessiert neben der Vernetzung der Wissenschaft allerdings auch das Thema Ausgründung von Start-ups aus der Forschung.Denn Transfer und Skalierung von guten Softwarelösungen im Governmental-Technologie-Bereich (Govtech) können nur so langfristig sichergestellt werden. Govtech in der Smart City bedeutet, dass lokale Unternehmen Regierungstechnologien entwickeln, die digitale Dienstleistungen und Prozesse integrierter, nachhaltiger Stadtentwicklung anbieten. Beispielsweise zum Flächen- oder Gebäudemanagement, zur Klimaanpassung oder im Mobilitätssektor. Dabei greifen sie möglichst auf strukturierte, öffentlich zugängliche urbane Datenplattformen zu und arbeiten auch selber Open Source.

Viele Städte und Regionen haben in den vergangenen Jahren gute und sinnvolle Anwendungen entwickelt und stehen nun vor der Herausforderung, dass das MPSC-Förderprogramm ausläuft. Sie müssen aus eigenen Kräften ihre digitalen Innovationen in den Betrieb überführen, diese pflegen oder weiterentwickeln. Dies werden die Kommunen zukünftig nicht mit eigenem Personal bewerkstelligen können. Sie brauchen Start-ups und Firmen, die sie unterstützen, und die allerdings nach definierten Open-Source-Standards arbeiten. Gerade wenn wir den europäischen Weg gehen und uns von (amerikanischen) Technologiekonzernen unabhängig machen wollen, brauchen wir vermehrt Transfer aus der Forschung auf diesem Wege.

Wie geht es also weiter mit all den Smart-City-Anwendungen, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden? Um den Transfer zu erleichtern, haben wir mit einer Arbeitsgruppe Kriterien entwickelt, welche auf technischer Ebene sicherstellen, dass die Übertragbarkeit von Softwarelösungen ermöglicht werden kann. Was Open Source in Deutschland bedeutet in Bezug auf Quellcode, Lizenzen, Qualität des Codes, Dokumentation oder Standards, haben wir darin festgelegt.

Auch wird ein digitaler Marktplatz gegründet, auf den alle ihre Anwendungen stellen können, damit diese transparent einsehbar sind und transferierbar werden. Dieser wird allerdings nicht ohne Moderation funktionieren, denn wir wissen, wie viel wir in den vergangenen Jahren geschult und kommuniziert haben.

Kommunen müssen stärker mit Start-ups kooperieren

Auch wir in Hamburg haben im MPSC-Projekt Connected Urban Twin (CUT) vieles entwickelt, das wir auf den Marktplatz stellen werden, beispielsweise eine Urban Model Platform, eine Ko-Modellierungsplattform, einen Data Narrator und einen Data Collector. Ebenso haben wir die Beteiligungssoftware DIPAS in Richtung Storytelling mit weiterentwickelt. All diese Anwendungen folgen bereits den definierten Open-Source-Standards und sind theoretisch nutzbar für alle Kommunen in Deutschland.

In der CUT-Akademie haben wir über Jahre hinweg regelmäßig unser Wissen geteilt und Veranstaltungen durchgeführt. Um den Transfer nun praktisch weiterzutreiben, brauchen wir fachlich qualifizierte Personen, die solche Prozesse steuern, befördern und innovativ sind. Diese werden wir aber nicht mit den Bedingungen des öffentlichen Dienstes locken können. Deshalb müssen Kommunen stärker und unvoreingenommener auch mit Start-ups oder Firmen zusammenarbeiten, die Open-Source-Richtlinien folgen und sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen.

Start-ups im Govtech-Smart-City-Bereich sind aber keine klassischen Wagniskapital-Unternehmen. Die Skalierbarkeit ist nicht hoch und schnell genug, die Verkaufszyklen sind zu lang (bei Städten bis zu 2 Jahren), die Expansion findet anfangs oft nur innerhalb eines Landes statt (Gesetze, Regelwerke), die Kommunen brauchen viel Beratung und viele Investor_innen denken immer noch, dass man den Open-Source-Code einfach nehmen und nachbauen kann.

Das kann man theoretisch auch, allerdings ist auch ein Code immer kontextualisiert und zu seiner erfolgreichen Verwertung gehört weit mehr als der reine Code. Wenn Deutschland mit seinen Fördergeldern alsolangfristig eine Wirkung erzeugen möchte, muss es aus meiner Sicht auch Start-ups, die im Smart-City-Bereich wirklich Open Source arbeiten, durch Govtech-Förderung unterstützen. Es gibt zwar in Deutschland Govtech-Initiativen, die allerdings häufig nur beim Netzwerken helfen. Das ist gut, aber nicht gut genug.

Stiftungen als Fördermodell für Open Source

Im vergangenen Sommer war ich zu der großen OSPOS for Good (Open Source Programme Offices) Konferenz der Vereinten Nationen in New York eingeladen, an der sich renommierte Vertreter_innen der internationalen Open-Source-Szene trafen. Es war ein Genuss, die Gründungsgeschichten berühmter Open-Source-Unternehmen wie Gitlab, Apache, Linux oder Mozilla von den anwesenden Gründer_innen anzuhören. Auch das deutsche Innenministerium war vertreten und bekräftigte seine Überzeugung, Open Source zu arbeiten.

Verstanden habe ich aber auch, dass all diese Unternehmen eine große Stiftung oder Ähnliches im Hintergrund haben, welche die wichtige politische Arbeit dieser Unternehmen, die Daten und Algorithmen alsGemeingut verstehen, kontinuierlich mitfinanziert. Ohne diesen Rückhalt wäre keines der Unternehmen langfristig erfolgreich geworden. Auch Unternehmen, die normalerweise nur proprietäre Software entwickeln, unterstützen teilweise Open-Source-Unternehmen, denn es gibt für beide Anwendungen gute Gründe. Hier würde ich mir mehr pragmatische Zusammenarbeit wünschen.

Auch wir haben das Start-up Comaps gegründet, einen kollaborativen Geo-Datenraum, und ich kenne deshalb wohl alle Start-ups, die in Deutschland im Open-Source-Smart-City-Bereich gegründet haben. Ich weiß, dass fast allen aus oben genannten Gründen das Überleben erst einmal schwerfällt und viele geben auf oder übertragen ihre Ideen aus der Forschung gar nicht erst in eine Firma. Ich sehe leider immer noch zu häufig gute Forschung, welche die deutschen Universitäten nie verlässt.

Aber ich weiß auch, dass viele sehr junge, motivierte und kluge Köpfe versuchen, die Smart City gemeinwohlorientiert auch als Unternehmer_innen weiterzuentwickeln. Smart City kann nur smart bleiben, wenn Deutschland nach der Förderperiode auch diese Start-ups im Blick behält. Wissenschaft, Kommunen, Wirtschaft und Politik müssen auch über Gründungen noch enger zusammenarbeiten. Auch die neue Regierung mit den Themen in den Ministerien wie Digitalisierung, Forschung und Smart City könnte hier besser zusammenarbeiten und solchen Unternehmen einen Schub geben.

Prof. Dr. Gesa Ziemer
HafenCity Universität

Henning - Voscherau - Platz 1

20457 Hamburg

Germany

 

 

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